Donnerstag, 26. Oktober 2017

Webserie: Warum ist die Bundeswehr in Mali?

Die Webserie "Mali" der Bundeswehr läuft seit knapp zwei Wochen. Auf Sinnhaftigkeit und Form wurden an dieser Stelle bereits eingegangen. Auch Thomas Wiegold hat sich für ZEIT Online Gedanken gemacht, was die Ziele (Rekrutierung, PR,...) und die Ergebnisse angeht:
Ohne ein positiveres Image der Streitkräfte dürfte die große Personaloffensive allerdings auf lange Sicht nichts werden. Deshalb setzt die Bundeswehr die Millionen für die Videos aus der malischen Wüste ein und deshalb freut sie sich auch schon über Kleinigkeiten: Die Diskussionen zu den Videos aus dem Mali-Einsatz, frohlockt die Sprecherin, seien doch deutlich inhaltsreicher als manches, was vergangenes Jahr in etlichen Kommentaren zu Die Rekruten zu lesen war.  
Das klingt ja schon mal viel versprechend, denn schließlich ist klar, dass ein paar Youtube-Videos nicht sofort mehr Rekruten zur Folge haben. Auch das Anstoßen einer öffentlichen Debatte und die Sichtbarmachung der Bundeswehr in der Öffentlichkeit sind legitime Ziele. Gleichzeitig muss gefragt werden, inwiefern die Serie nicht einen verzerrten, geschönten oder falschen Einblick in die MINUSMA-Mission bietet. Der politische Rahmen ist klar: Eine deutliche Mehrheit der Mitglieder des (alten) Bundestages unterstützt die UN-Mission:
Petra Ernstberger (SPD) bezeichnete die Aufrechterhaltung der Mission als "unerlässlich". Die staatlichen Strukturen im Land seien noch viel zu schwach, um dem Terror allein Einhalt zu gebieten. "Es kann keinen Frieden ohne diese militärische Flankierung geben." Henning Otte (CDU) ergänzte, der Einsatz sei nicht nur für Mali und die Stabilisierung der gesamten Sahel-Region von Bedeutung, sondern auch für Deutschland und Europa. Schließlich sei Westafrika eine wichtige Transitregion für Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa und der Kampf gegen den Terror damit wichtig zur Verhinderung von Migrationsbewegungen. Für die Grünen stellte sich Agnieszka Brugger klar hinter den Einsatz. Zwar sei die Lage in Mali "alles andere als rosig" und die Beteiligten müssten mehr in den politischen Prozess investieren. Doch die Bundeswehr leiste mit ihren Aufklärungsfähigkeiten einen "unglaublich wichtigen Beitrag, um nachzuweisen, wer wann gegen das im Frühjahr 2015 unterzeichnete Friedensabkommen verstößt". Die Linksfraktion lehnte den Einsatz erneut geschlossen ab. "Die Parallelen zum Afghanistan-Einsatz sind erschreckend", urteilte Niema Movassat. Auch in Mali sei die Bundeswehr dabei, "sich in den nächsten langwierigen Krieg zu verstricken".
Die Schwierigkeiten übersieht niemand, auch nicht die Bundesregierung, die schreibt, dass "in Zentral- und Nordmali (...) die Gefährdung durch terroristische Anschläge und Angriffe gegen MINUSMA und die malischen Streitkräfte aufgrund der andauernden Präsenz islamistischer Terrorgruppen und krimineller Gruppierungen bestehen" bleibe. Zudem stünden "die malischen Streitkräfte (...) angesichts ihrer noch zu schwachen Strukturen stark unter Druck und müssen weiter gestärkt werden."

Wie also stellt die Bundeswehr die Mission in ihrer Webserie dar? Auffallend ist schon mal, dass es nicht einfach ist, das Publikumsinteresse auf die Hintergründe des Einsatzes zu lenken. Während die erste Folge mehr als 650.000 mal angeklickt wurde, schauten etwa 175.000 Menschen das Video "Warum ist die Bundeswehr in Mali?".



Dem Erklärstück ist nicht unbedingt die fehlende Tiefe vorzuwerfen ("Zwischen Europa und Mali liegen das Mittelmeer und zwei Länder."), schließlich wissen mutmaßlich die meisten Deutschen nicht, wo Mali liegt.

Ob MINUSMA aber tatsächlich "der zentrale Einsatz" auf dem afrikanischen Kontinent ist, sei einmal dahingestellt. Wenn man Stärke und Finanzmittel betrachtet eigentlich nicht. Ansonsten gibt es viele Bilder, die Soldatinnen und Soldaten mit der einheimischen Bevölkerung zeigen. Sie erinnern an Afghanistan. Dort wurde auch der Kontakt mit der Zivilbevölkerung als Beweis der Akzeptanz und Sinnhaftigkeit herangezogen - bis diese Bilder aufgrund der Sicherheitslage schlicht nicht mehr möglich waren.

Nach anderthalb Minuten scheinen schon die ersten "mittelbaren" Missionsziele durch. Also nicht Eigensicherung, Garantie von Sicherheit und Unterstützung des Einsatzes der malischen Armee, sondern den sicheren Zugang zu Wasser, Straßen, Jobs, und so weiter. Humanitäre Faktoren also, die letztlich das Phänomen der Migration adressieren. Die Bundeswehr soll aber insbesondere aufklären und stellt "die Drohne" der Mission. Gleichzeitig haben Frankreich und die USA Drohnen in der Region im Einsatz. Das ist erst einmal kein Kritikpunkt, zeigt aber, dass auch hier (wie so oft) unterschiedliche Missionen mit unterschiedlichen Zielen operieren. Dies kann dazu führen, dass die Akzeptanz eines Einsatzes von einer anderen Mission abhängt. Je nach Eskalationsstufe kann das die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten gefährden. Denn während im Bundeswehr-Video die Aufklärungsfähigkeiten der Heron-Drohne gelobt werden, könnten andere Drohnen tödlich sein. Diese Unterscheidung wird bei möglichen Opfern bzw. deren Angehörigen eine untergeordnete Rolle spielen.

Als Tiger-Hubschrauber untermalt mit schnittiger Musik gezeigt werden, wird natürlich die bisherige Einsatzhistorie nicht erwähnt: zwei Soldaten starben im Juli. Dennoch sei man "optimal ausgestattet", wie Oberstleutnant Paare ausführt. Dabei bezieht er sich vor allem auf die anderen Nationen. Aber da zahlreiche afrikanische Staaten, aber auch Länder wie Kambodscha oder Nepal Teil der Mission sind, verwundert es nicht, dass im Vergleich dazu die Bundeswehr sehr gut da steht.

Für die Webserie ist also klar, wie bedeutsam der Mali-Einsatz der Bundeswehr ist. Kritische Punkte werden nicht verschwiegen, aber etwas umschifft. Die Soldatinnen und Soldaten wirken zuversichtlich, das Mandat klar. Dass die Einsatzrealität meist komplizierter ist, wird nur angedeutet. Ob sie konkreter und greifbarer wird, glaubhaft in ihrer Einschätzung ist und die Risiken und Perspektiven nicht geschönt werden, müssen die weiteren Folgen zeigen.

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