Sonntag, 2. April 2017

Wenn Reden keine Lösung ist

Eine Überzeugung ist ein Mix aus Sozialisation, aus aktueller Befindlichkeit und aus so einem irreduziblen Rest, einem theologischen oder einem metaphysischen Kern, da, wo aller Spaß aufhört, wo alle sofort elektrisiert sind und auch keinen Schritt zurückmachen können. Wir haben zivilisatorisch versucht, all diese Punkte weitgehend zu entschärfen. Das ist uns auch meistens geglückt und sind dann auch immer sehr erschrocken, wenn wir einen dieser Punkte wiederfinden.
Das sagt der Philosoph Martin Wolff in der Besprechung seines neuen Buchs "Ernst und Entscheidung: Eine Phänomenologie von Konflikten". Im Interview auf Deutschlandradio Kultur führt er aus, dass sich seiner Überzeugung nach nicht jeder Konflikt friedlich lösen lässt. Er sagt:
Mich hat es sehr geärgert, dass weitgehend alle Konflikttheorien oder alle Konfliktanalysen unterm Strich wunschgetrieben sind, sie sind hoffungsvolle Reden davon, wie es besser wäre, und sie unterstellen, dass Konflikte in der Regel Missverständnisse sind, und dann wird schon alles gut, wenn man sich nur gut genug versteht, wenn man nur gut genug miteinander redet. Viel tiefer, viel problematischer ist es doch, wenn Konflikte nicht das Ergebnis von Missverständnissen sind, sondern wenn Konflikte dann entstehen, gerade weil wir uns richtig verstanden haben, gerade weil ich die Überzeugung des anderen verstanden habe, ärgert sie mich so sehr, und weil er meine Überzeugung oder sie meine Überzeugung richtig verstanden hat. Deswegen sind wir doch im Streit, und dann führt mehr reden, mehr Verständnis auch zwingend zu mehr Konflikt. Dann hilft der Satz nicht, ihr müsst mal miteinander reden, und schon gar nicht der wirklich alberne Satz, redet doch mal vernünftig miteinander.
Es stellt sich aber die Frage nach dem Mobilisierungsvermögen eines Konflikts. Das ist sicherlich größer bei (Verteilungs-) Konflikten mit dem Charakter eines Nullsummenspiels. Also Situationen, in denen ein "Gut" in jedem Fall verletzt wird. Ein Beispiel dafür wären Schwangerschaftsabbrüche.

Bezieht man das Ganze aber nicht auf gesellschaftliche Auseinandersetzungen, sondern auf außenpolitische Konflikte, kann man die Frage stellen, ob wirtschaftliche Entwicklung im globalen Maßstab tatsächlich ein Nullsummenspiel sein muss und wer in diesem Verteilungskonflikt am meisten profitiert. Die Antworten liefen einen Hinweis darauf, wie man das Ausmaß von Konflikten zumindest begrenzen oder Neue verhindern kann. Denn es wird immer Akteure geben, mit denen kein lösungsorientierter Dialog möglich ist.

Aber deren Machtbasis und die Möglichkeit zum Austrag eines Konflikts hängt eben auch davon ab, wie sehr sie andere - letztlich außerhalb des konkreten Konflikts liegende - Faktoren zu ihren Gunsten nutzen können. Strukturelle Ungleichgewichte und inkonsistente Haltungen der anderen Seite tragen mit dazu bei.

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