Donnerstag, 21. Juli 2016

Kampf gegen Fluchtursachen: Deutschland zieht Polizisten von UN-Mission im Südsudan ab

Es ist schon frustrierend. Da redet sich die Politik den Mund fusselig, wenn es um Fluchtursachen geht und überall wird mantrahaft wiederholt, dass wir nicht auf einer Insel leben und uns von einer Verantwortung gegenüber anderen Menschen nicht ausnehmen können. Dass es nicht ausreicht kurzsichtige (und problematische) Abschottungspolitik zu betreiben, sondern wir verstehen müssen, dass nicht die Höhe der Mauern, sondern die Motivation von Geflüchteten und Migranten der entscheidende Faktor ist. Und dann so was:

"Die Missionen leisten weltweit unverzichtbare Beiträge, um Frieden und Sicherheit zu schaffen und zu erhalten." Das schrieb die Bundesregierung noch im Oktober zur Polizeimission im Südsudan und kündigte die Entsendung von mehr Polizisten in das junge Land an. Dort ist mittlerweile die Lage zum fünften Jahrestag der Unabhängigkeit eskaliert (mal wieder, insofern ist Eskalation vielleicht auch das falsche Wort), aktuell sind mehr als 150.000 Menschen vor den Kämpfen in UN-Stützpunkte geflohen, insgesamt sind laut UNHCR mehr als 2,25 Millionen im Land auf der Flucht. Die Hälfte der Bevölkerung von zwölf Millionen sind auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. 
Soldaten und Polizisten der UNMISS bei einem Einsatz zur Sicherstellung von illegalen Waffen. Quelle: UNMISS, via flickr.com
Nun haben Deutschland, Schweden und Großbritannien ihren Beitrag zur Polizeimission auf Null zurückgefahren. Alle entsandten Polizisten wurden abgezogen. Ohne Rücksprache mit den Vereinten Nationen. Bedenklich ist vor allem, dass andere Staaten weiterhin vor Ort sind. Die UN bezeichnete den Schritt "als Mangel an Respekt für das Engagement zugunsten von Frieden und Sicherheit". Es lassen sich wenig Gründe finden, um das Verhalten wirklich zu rechtfertigen. Großbritannien hält einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat, Deutschland hätte gerne einen. Das neue Weißbuch sieht Deutschland als vollwertigen internationalen Akteur, was die Sicherheitspolitik betrifft. Im Gegensatz zu Kampfeinsätzen haben Polizeimissionen einen zivilen Charakter, sie wirken im Rahmen der Ausbildung direkt in die Gesellschaft hinein und haben potentiell langfristige Wirkung. Damit kann ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung vor Ort geleistet werden.

Darüber hinaus sind Polizisten anderer Staaten noch dort. Nicht nur regionale Akteure, die sich Sorgen um die Stabilität ihres Nachbarlandes machen. Bosnien-Herzegowina, Nepal, Norwegen, Rumänien, Thailand oder die Ukraine... Die Liste ist lang. Sicher, viele Staaten sparen sich Gehälter durch die Beteiligung an internationalen Missionen, doch in der Summe ergibt sich folgendes Bild: Die Sicherheitslage wird offenbar in Deutschland, Großbritannien und Schweden anders bewertet und es wurden einseitig Konsequenzen gezogen. Man mag das nachvollziehbar finden, gerade wenn es um die Sicherheit einzelner Beamten geht. Doch wenn es im Kontext internationalen Engagements und globaler Solidarität betrachtet wird, ist es ein bedenkliches Signal.

Es passt auch schlicht nicht zum eigenen Anspruch. Wo man wieder am Anfang wäre. Die sog. "Willkommenskultur" wird nun als innenpolitisch fatal bewertet - mit Blick auf die Wahlen ergibt sich aus Sicht der Parteien die Konsequenz: Die Zahlen müssen runter, sonst erhält man an der Urne die Quittung (wobei die meisten Menschen die wirklichen Gründe für ihren Denkzettel wohl nur schwer in Worte fassen können und viele diffuse Gründe übrig bleiben, die von Nizza, über die Rente bis hin zur Angst vor der nächsten Sylvesternacht reichen). Dazu werden Zäune errichtet, andere Staaten als Schutzschild gebraucht und eben Fluchtursachen in den Blick genommen.

Doch hier zeigt sich, dass Letzteres nur am Rande interessiert, solange die Zahlen kurzfristig sinken. Denn Fluchtursachen bedeuten die Auseinandersetzung mit globaler Gerechtigkeit und Verteilungsfragen. Die Frage nach Konfliktursachen und den eigenen Anteil daran. Da ist es einfacher Grenzen zu schließen. Dass das kurzsichtig und kontraproduktiv ist, scheint verdrängt zu werden.

Es ist jedoch absurd zu wissen, dass beim nächsten Anstieg der Zahlen wieder das Wort Fluchtursachen in jedem zweiten Satz auftaucht und wenn Menschen aus neuen (alten) Krisengebieten hier ankommen, danach gerufen wird die Lage vor Ort zu verbessern und zu stabilisieren. Auch wenn das dann Jahre zu spät kommt. Und eins darf man hier vergessen: Hier geht es um zwölf (12!) Polizisten. Nicht um eine Neuausrichtung sicherheitspolitischer Instrumente oder um das Überdenken der globalen Handelspolitik. Doch wenn auch ein langer Weg mit dem ersten Schritt beginnt, dann... Damit wäre das Glückskeksniveau nun erreicht.

Andere Beobachter mögen es für eine Fußnote halten und die Verknüpfung der Fluchtdebatte mit Beiträgen zur UN-Polizeimissionen im Südsudan als bemüht bezeichnen. Klassisches Gutmenschentum eben. Doch angesichts der Tatsache, dass frühzeitiges Interesse noch nie geschadet haben, sollten solch kleinen Meldungen auch in einem größeren Zusammenhang zu denken geben.

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