Donnerstag, 15. Oktober 2015

Iraqi Odyssey: Alles hätte ganz anders sein können...

"Als ich geboren wurde, war die Welt noch in Ordnung." Vielen Menschen werden solche Worte in den Mund gelegt, oder sprechen sie selbst aus. Doch für Menschen, die im Irak geboren wurden oder deren Familien dort vor mehr als 50 Jahren lebten, klingt solch ein Satz wahrer als für die Meisten.

Wenn wir "Irak" hören, dann kommen einem sofort die Bilder von US-Soldaten, von Saddam Hussein und Selbstmordanschlägen in den Sinn. Dann denken wir an Milizen, die sich in Stadtvierteln gegenseitig bekriegen und an eine Zivilbevölkerung, die sich anhand religiöser Linien gespalten hat und unter dem ISIS-Terror leidet. 

Gestern wurden im Land 71 Menschen getötet. Am Dienstag waren es 42. Mehr als 220.000 Opfer gab es wohl seit dem Einmarsch von US-Truppen 2003. Im ersten Golfkrieg vor 25 Jahren waren es vermutlich weit über 300.000 Menschen, wenige Jahre später waren es im Zweiten etwa 50.000 Tote. 

Es ist nicht allzulange her, da war der Irak ein Land im Aufbrauch. Der Film Iraqi Odyssey erzählt die Geschichte einer irakischen Großfamilie, aus der bürgerlichen Mittelklasse stammt. Deren Mitglieder verließen seit den 50er Jahren nach und nach alle das Land und verstreuten sich über die ganze Welt. In Iraqi Odyssey richten sie ihren Blick auf ihre ehemalige Heimat.



Vor etwas mehr als 50 Jahren schien der Irak auf der Schwelle zu einer modernen und säkularen Gesellschaft zu stehen, auch wenn viele Konflikte bereits damals brodelten. Die ganze Region war dennoch auf dem Sprung in die Moderne, doch unter anderem der Einfluß geopolitischer Interessen machte dem ein Ende. Heute ist die Region ein Kriegsgebiet, die staatliche Ordnung weitgehend in Auflösung, Millionen Menschen auf der Flucht.

Junge Männer wurden damals ins Ausland geschickt um zu studieren und zurückzukehren. Doch ihr Plan zerschlug sich in politischen Wirren und Aufständen. So kam alles anders... 

Über vier Millionen Iraker kehrten in dieser Zeit nicht zurück, lebten ihr neues Leben im Ausland und blickten doch immer mit Wehmut zurück. Diese Wehmut durchzieht den gesamten Film.

Aus der offiziellen Beschreibung:
Der Film zeigt, dass es auch ganz anders hätte kommen können. Er lässt uns die Region, die Menschen, ihre Kultur, aber auch ihre aktuellen Konflikte und unsere Verantwortung dafür mit völlig neuen Augen sehen. Deshalb ist IRAQI ODYSSEY gerade jetzt ein so wichtiger, hoffnungsvoller Beitrag zur öffentlich geführten Diskussion um die Themen Migration, Einwanderung und Miteinander der Kulturen in Deutschland. Darüber hinaus ist er faszinierende Unterhaltung, packend, dramatisch, spannend und nicht zuletzt auch mit Humor erzählt.

Der Film ist der Beitrag der Schweiz für die kommenden Oscar-Verleihungen. Aus diesem Grund wird er auch erst ab dem 14. Januar 2016 in die deutschen Kinos kommen. Der Regisseur Samir verbindet mit seinem Film ein persönliches Anliegen und viele Iraker, die diesen Film sahen, wurden an ihre eigene Geschichte erinnert. Samir rief dazu auf die eigenen Geschichten mit der Welt zu teilen - die Geschichten eines vergessenen Irak:


Es gibt nicht viele Filme, die es mit dieser Leichtigkeit schaffen einen Bogen aus der Vergangenheit in die Gegenwart zu schlagen und Themen wie Krieg, Flucht und Vertreibung aufzuarbeiten, ohne ein reines Werk der Krise zu sein. 

Die Beschäftigung mit dieser sensibel erzählten Familiengeschichte erlaubt einen Blick über den eigenen Tellerrand hinaus und liefert einen sehenswerten Zugang zu einer Region, der in der aktuellen Betrachtung doch meist das Wort "Konflikt" vorangestellt wird.

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