Freitag, 14. März 2014

Wunschvorstellung vs. Realität oder: Wie sich die Bundeswehr Afghanistan schön redet

Keine Angst, an dieser Stelle folgt keine billige Polemik zu den Bemühungen der Bundeswehr in Afghanistan. Eher Unverständnis darüber, wie sehr die Verantwortlichen darauf bedacht sind die Situation im Land schön zu reden. Gewiss wurden in bestimmten Bereichen Fortschritte erzielt, dies lässt sich zum Beispiel an Indikatoren, wie dem Human Development Index, auch ablesen.



Trotzdem sollten in einem Interview mit einem Generalmajor, der eine Mission leitet, die Deutschland seit mehr als 12 Jahren beschäftigt und in einer seriösen Publikation wie der ZEIT erscheint, auch unangenehme Fakten besprochen werden. Doch die Antworten lesen sich so:

Bernd Schütt: Die Fortschritte, die ich selber hier in Nordafghanistan beobachten kann, sind enorm.[...] Die Region Masar-i-Scharif ist aufgeblüht.
[...]
Stabil ist die Gesamtsituation noch nicht, aber ausreichend, damit sich die Region weiterhin gut entwickelt.
[...]
Die Afghanen gehen dorthin, wo der Gegner ist. Das führt zu Gefechten – und auch zu Verlusten. Generell haben sie die Lage aber unter Kontrolle. [...] Die Sicherheitslage ist zufriedenstellend.
[...]
Ich glaube, dass Afghanistan die Chance auf eine gute Zukunft hat. Dabei wollen wir das Land unterstützen. Das tun wir nicht nur zum Wohle Afghanistan, sondern auch zu unserem Schutz: Afghanistan darf nicht wieder Rückzugsraum für den Terrorismus werden!
In einem aktuellen Bericht des UN-Flüchtlingskommissariats vom Dezember 2013 wurde dies jedoch ganz anders geschildert:
Regierungsfeindliche Kräfte würden immer mehr Kontrolle gewinnen und zunehmend die Zivilbevölkerung terrorisieren. Die organisierte Kriminalität nehme zu. "Bedrohungen, Einschüchterungen, Erpressungen und die Eintreibung illegaler Steuern gehören zum Alltag in vielen Teilen des Landes." [...] Auch von parallelen Justizstrukturen und Zwangsrekrutierungen ist die Rede. Kriegsherren und korrupte Beamte könnten selbst in Gebieten straffrei agieren, die von der Regierung kontrolliert würden.
Auch der jährliche Bericht der UN-Mission in Afghanistan zeichnet ein anderes Bild. So heißt es zum Beispiel:
UNAMA hat beobachtet, dass 2013 das schlimmste Jahr für afghanische Frauen, Mädchen und Jungen seit 2009 war mit der höchsten Zahl an getöteten und verletzten Frauen und Kindern.
Aktuell wird die Situation in Afghanistan mit der im Irak verglichen, wo bewaffnete Kämpfer rund um Falludscha die Staatsgewalt herausfordern. So wird befürchtet, dass mehr Gewalt, mehr Gebiete außerhalb jeglicher staatlicher Kontrolle und eine leidende Zivilbevölkerung die Folge des Abzugs sein werden, wie es in einem Artikel der Washington Times heißt:
“The central government is bound to crack under pressure from al Qaeda,” said James Carafano, an analyst at the Heritage Foundation. “The best-case scenario is the country fragments into protracted civil war with sides supported by U.S., India, Pakistan and Iran. Al Qaeda will be back because [the] Haqqani Network will sponsor them.”
Nun ist es so, dass die USA stark an einem Abkommen zur Stationierung von Soldaten interessiert sind und so evtl. ein sehr düsteres Bild zeichnen. Doch diese Erklärung für die Meinungen von zahlreichen Experten wäre etwas zu kurz gegriffen. 

Schütts Wahrnehmung entspricht also nicht den Aussagen anderer Quellen. Dabei ist der Norden Afghanistans keine Insel in einem Meer der Gewalt. Bei der Frage der pünktlich stattfindenden Wahlen hat er sicherlich recht (Frage: wie fair werden diese ablaufen und das politische System voranbringen?), ansonsten muss man ihm aber widersprechen. Die Sicherheitslage ist keineswegs so, dass die Zivilbevölkerung wirklich von Entwicklungsprojekten nachhaltig profitieren kann. Sein Verweis auf kriminelle Aktivitäten ist richtig, nur könnte man sich ja dann am Schluss den Verweis auf die überbordende Gefahr des Transnationalen Terrorismus sparen. 

Was lässt sich also wirklich für ein Bild zur Lage in Afghanistan gewinnen? Vielleicht fasst es ein Zitat aus einem aktuellen Bericht des Afghan Analysts Network am Treffendsten zusammen:
First of all, it would be helpful to agree that change in Afghanistan has been a mixed bag. That much of it has neither been purely progress, nor just clear failure; that in fact much of it was an unintended and rather messy mix of incremental changes and underlying dynamics. There is a good chance that the future will be a lot like the past: a messy mixed bag.

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