Mittwoch, 30. September 2009

Hintergrund zum Jemen-Konflikt



Der Jemen gilt als eines der ärmsten Länder der Welt. Der Human-Development-Index (HDI) der Vereinten Nationen listet das panarabische Land auf Platz 153 (von 177). Die Lebenserwartung liegt bei knapp 62 Jahren, etwa 20 Prozent der Bewohner erleben ihren 40. Geburtstag nicht. Der Jemen gilt nicht nur als Rückzugsgebiet für Al-Quaeda-Kämpfer seit im Jahr 2000 ein Anschlag auf das US-Kriegsschiff USS Cole im Hafen von Aden verübt wurde. Im Februar 2008 starben zudem bei einem Anschlag auf die US-Botschaft in Sana'a 16 Menschen. Darüberhinaus gibt es seit mehr als fünf Jahren heftige kriegerische Auseinandersetzungen im Süden und im Norden des Landes.


Erst seit 1990 bilden die Arabische Republik Jemen und die Demokratische Volksrepublik Jemen einen gemeinsamen Staat. Daraus ergaben und ergeben sich starke Sezessionsbewegungen und Konflikte mit der Zentralregierung. Vor allem im Norden versuchen schiitische Kämpfer ihre Ziele, wie größere Unabhängigkeit und bessere Lebensbedingungen durchzusetzen. Ihr Kampf ist also eine Mischung aus lokalen, religiös geprägten Konflikten und Stammesauseinandersetzungen. Seit 2004 gibt es regelmäßig schwere Kämpfe im Nord-Jemen. Doch der Konflikt reicht deutlich weiter zurück.


1962 beendete eine Revolution die mehr als 1000-jährige Herrschaft der "Zaydi-Haschemiten", die sich als direkte Nachfahren des Propheten Mohammed sehen. Die Anhänger sind Teil des schiitischen Islam, obwohl sich viele Bräuche und Vorstellungen dem sunnitischen Glauben annähern. Sa'ada, die nördliche Provinzhaupstadt war ihre Hochburg und wurde nach dem Zusammenbruch des Herrschaft-Regimes wirtschaftlich und politisch nahezu ignoriert.


Während des Bürgerkriegs 1994 unterstützten sunnitische Gruppen (Wahabiten, die eine strikte Auslegung des Islam verfolgen und ursprünglich aus Saudi-Arabien stammen) die Zentralregierung gegen die Sezessionsbewegung der Houthi und vergrößerten so ihren Einfluss. Auch Saudi-Arabien selbst fürchtet einen zu große Ausbreitung und Stärkung der schiitischen Glaubensbewegung.


CIA


Grundsätzlich handelt es sich also um einen Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten, der zusätzlich dadurch an Bedeutung gewonnen hat, dass die meisten arabischen Länder einen zu großen Einfluss des schiitischen Islam unter Federführung des Iran fürchten. Jemenitische Offizielle beschuldigten die Houthi-Kämpfer deshalb immer wieder der Nähe zum Iran. Dazu kommen aber die ökonomischen und politischen Faktoren, die diese Auseinandersetzung in großen Teilen zu einem Zentrum-Peripherie-Konflikt macht und große Gräben in der wirtschaftlichen Entwicklung widerspiegelt.
Ausgelöst wurde der nun mehr heiße Konflikt 2004 durch die versuchte Festnahme eines Houthi-Führers, der gleichzeitig auch Parlamentsabgeordneter war. Hussein al-Houthi wurde danach in einer Militäraktion getötet, sein Bruder Abdul-Malik führt nun u.a. die Gruppe.


Die Zentralregierung in Sana'a hat wenig Autorität in den nördlichen Stammesgebieten, vor allem in den unzugänglichen Bergregionen. 2007 beruhigte sich die Lage etwas und ein Friedensabkommen wurde unterzeichnet, das aber nie wirklich umgesetzt wurde. 2008 wurde in Doha erneut ein Versuch unternommen unter Vermittlung der Nachbarstaaten unternommen.


Doch seit dem 10. August 2009, als der Präsident des Jemen Ali Abdullah al-Saleh die Überzeugung äußerte, dass die Houthi-Kämpfer keine Absicht für wirklichen Frieden zeigen würden und sie beschuldigte Häuser zu zerstören und Nahrungslieferungen zu blockieren eskalierte der Konflikt erneut. Unter dem Namen "Eiserne Faust" begann daraufhin die Militär-Kampagne, die bis heute anhält und deren Ende nicht abzusehen ist.


Der Jemen galt als relativ stabiles und demokratisches Land in der Region. Die jemenitische Journalistin und Chefredakteurin der englischsprachigen Yemen Times Nadia A. Al-Sakkaf sagte dazu in einem Interview 2008 zwar:

"Sachverhalte, die die jemenitische Einheit, die Effektivität der Armee oder die Person des Präsidenten infrage stellen, sind Tabuthemen."

Aber auch:

"Wir haben mehr Demokratie und Möglichkeiten, uns auszudrücken, als in allen anderen Ländern der Region."
Die USA sehen die Zentralregierung als regionalen Stabilitätsfaktor und als Unterstützer beim Kampf gegen den regionalen und internationalen Terrorismus und halten sich mit Kritik zurück. In Deutschland wird der Jemen zumeist mit Entführungen assoziiert, mit denen die Houthi-Kämpfer bis zur Beginn der Offensive versuchten, Forderungen nach der Verbesserung ihrer Lebensbedingungen, oder die Freilassung von Anhängern gewaltsam durchzusetzen. Der letzte Staatsbesuch eines jemenitischen Staatsoberhauptes in Berlin datiert vom Februar 2008, große Kritik am autoritären Führungsstil und der rücksichtslosen Kriegsführung blieb allerdings aus. Auch die Verbindungen der deutschen Rüstungsindustrie zum Jemen werden jährlich durch Lieferungen in die Region gepflegt.


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